Godehardjahr
2022 ist ein besonderes Jahr für das Bistum Hildesheim: Wir nehmen Godehards tausendjähriges Weihejubiläum zum Anlass, den Blick auf die innere Erneuerung des Bistums zu richten. In unserem Bistum ist viel in Bewegung. Das wollen wir zeigen und gemeinsam feiern – mit einer Vielzahl von Veranstaltungen, Tagungen, Projekten und spirituellen Impulsen. Wir haben bei Rat Dr. Christian Hennecke, Leiter der Hauptabteilung Pastoral, und Dr. Julia Niemann, Projektkoordinatorin des Godehardjahres, nachgefragt, was uns in den kommenden Monaten erwartet.
- Alle Informationen rund um das Godehardjahr finden Sie unter www.godehardjahr.de
Ein Jahr lang soll bistumsweit sichtbar werden, wo die Themen Godehards uns heute inspirieren. Was kann ich mir darunter vorstellen – und wer macht mit?
Dr. Julia Niemann: Auf den ersten Blick mag das ein großer Spagat sein. Was hat uns heute ein Bischof zu sagen, der vor tausend Jahren gelebt hat? So ist die Übersetzung von Godehards Themen ins Jetzt enorm wichtig. Wir merken, dass sein Leben spannende Anknüpfungspunkte für die Weiterentwicklung der Kirche liefert: Partizipation, Gerechtigkeit, Gründung im Geist des Evangeliums, monastische (mönchisch, klösterlich; Anm. d. Red.) Spiritualität, Solidarität und Armenfürsorge – um ein paar Schlaglichter zu nennen, die uns als Inspiration dienen und die wir neu aufschlüsseln möchten.
Einige Projekte sind daraus schon entstanden: von Solidaritätstafeln über benediktinische Impulse bis hin zu den Segensorten, die wir in diesem Jahr neu entdecken wollen. Es ist viel in Bewegung – und gleichzeitig viel Raum, um sich mit eigenen Ideen einzubringen und dabei zu sein.
Viele Menschen kennen Godehard, weil der Gotthardpasses in der Schweiz seinen Namen trägt. Warum hat dieser Bischof bis heute eine große gesellschaftliche und kirchliche Relevanz?
Dr. Christian Hennecke: Godehard war ein Bischof des Aufbruchs und der Erneuerung. Auch seine Zeit war eine Zeit großer Transformationen. Und er gestaltete sie: Für ihn waren spirituelle Erneuerung und Sinnstiftung wesentlich. Ihm war es wichtig, Menschen aufzurichten und mit dem Evangelium neu in Berührung zu bringen.
Mit diesem Aufbruchprogramm stehen wir mitten in unserer Zeit. Unsere Gesellschaft ist in einem tiefgreifenden Wandel – unsere Kirche auch. Die Impulse Godehards geben uns eine Ausrichtung: Wie entdecken wir als Christinnen und Christen unsere Identität? Wie schöpfen wir Kraft aus dem Evangelium? Welche Formen von gelebter Gemeinschaft können sich aus der Kraft des Glaubens entwickeln?
Das sind zunächst Fragen an unsere christliche Identität. Und zugleich sind es Fragen an unsere Sendung und unser Engagement in dieser Welt: Wie bezeugen wir die Botschaft des Evangeliums glaubwürdig? Wie nehmen wir die Zeichen der Zeit auf? Wie sind wir radikal solidarisch, mit den Menschen, mit der Schöpfung?
Das Godehardjahr steht unter dem Motto „GO! Glauben geht.“ Gemeinsam machen wir uns auf den Weg in die Zukunft. Was ist Ihre Vision der Kirche von morgen?
Dr. Christian Hennecke: Ich habe Lust auf die Kirche von morgen, weil ich sie an vielen Stellen bereits entdecke. Wir stehen in einem dramatischen Veränderungsprozess, wo das Sterben gewohnter Kirchengestalten und -strukturen sich ereignet und ereignen wird. Das tut weh, das schmerzt. Ich erlebe Kirche heute in Gemeinden, Initiativen und Gemeinschaften, wo Menschen sich mit viel Leidenschaft engagieren. Die Kirche von morgen wird eine Kirche sein, die mitten in den Nöten und Herausforderungen der Menschen lebt. Menschen, die aufbrechen: Menschen, die Leben teilen, die ein Stück Weg miteinander gehen – und in deren Begegnung der Auferstandene erfahrbar wird. Wenn wir darauf setzen, dann haben wir die Freiheit und den Mut, Neues zu denken, zu gestalten und zu entwickeln – und die Freiheit, vom schweren Gepäck und belastenden Gewohnheiten Abschied zu nehmen.
Kirche von morgen – das sind Menschen, die aus dem Geist Gottes leben und sich auf ihren Weg des Glaubens machen. Kirche von morgen – das ist eine Kirche im Werden, wo Menschen einander auf Glaubenswegen begleiten, ausprobieren, experimentieren und neue Formen wagen. Kirche von morgen – das ist ein Netzwerk von Segensorten, wo eine Kultur des Miteinanders aus dem Geist des Evangeliums gelebt und profiliert wird. Kirche von morgen – das ist ein Miteinander sehr vielfältiger Kirchengestalten. Neue Formen entstehen, Kirchengemeinden entwickeln sich – und fast alles hängt davon ab, ob und wie Menschen auf ihrem Lebensweg und Glaubensweg wachsen und sich entwickeln können.
Den Aufbruch nehmen wir im Godehardjahr regelrecht wörtlich: Im September ist eine große Pilgerwoche geplant. Wie und wo kann ich mich auf den Weg machen?
Dr. Julia Niemann: Das Pilgern bildet das Herz des Godehardjahres. Aufbrechen mit leichtem Gepäck, etwas hinter sich lassen, zu sich kommen und Gott Raum schenken – all das, was wir inhaltlich mit dem Godehardjahr verknüpfen, setzen wir im Pilgern um. Wir haben verschiedene Pilger-Angebote: zum einen eine große Pilgerreise von Niederalteich nach Hildesheim, aufgeteilt in acht unterschiedliche Routen. Daneben gibt es weitere Angebote: von Feierabendpilgern, über das Motorrad-Pilgern bis hin zu verschiedenen Tagespilgerrouten und sogenannten Pilgersamstagen. Am Ende der Pilgerwoche wollen wir gemeinsam auf dem Domhof ein Pilgerfest feiern. Das wird sicherlich eine wunderschöne und bunte Begegnung mit vielen Menschen.
Heute findet die offizielle Eröffnung des Godehardjahres statt. Die vorgesehene große Feier mit einem bunten Bistumsfest auf dem Domhof kann coronabedingt leider nicht stattfinden. Was ist stattdessen geplant?
Dr. Christian Hennecke: Heute feiern wir hier in Hildesheim Gottesdienste im Dom, in St. Godehard und in Marienrode. Uns ist von Anfang an die benediktinische Verwurzelung Godehards wichtig. Deswegen findet am 6. Mai ein Kolloquium mit vielen Ordensoberen aus ganz Deutschland statt. Dort diskutieren wir mit Expertinnen und Experten, welche Kraft und welche Zukunft die benediktinische und monastische Tradition hat.
Am 7. und 8. Mai feiern wir Gottesdienste an verschiedenen Orten des Bistums: in Amelinghausen, in Göttingen, in Hannover, in Bremerhaven, in Braunschweig und natürlich in Hildesheim. Vielleicht ist das ein Wegweiser. Kirche ist zentriert auf Christus – an dezentralen Orten. Hier gestalten wir unseren Glauben.
Worauf freuen Sie sich persönlich am meisten in den kommenden Monaten?
Dr. Julia Niemann: Ich freue mich, mit den Menschen in Begegnung zu sein und die Freude zu teilen, neue Wege zu beschreiten. Ich bin gemeinsam mit anderen als Schatzsucherin unterwegs und will entdecken, wie an unterschiedlichen Orten und auf inspirierende Weise Kirche ein neues Gesicht bekommt.
Dr. Christian Hennecke: Ich freue mich besonders auf die Initiativen, in denen wir unsere Wurzeln aus dem Glauben erneuern, Kraft finden im Austausch miteinander und Leidenschaft tanken. Ich bin gespannt, wie die vielen Aufbruchsprozesse im Bistum Kraft gewinnen aus diesem Geist: Wie gestalten wir Leitung und Verantwortung? Wie werden wir auf unseren Glaubenswegen wachsen? Welche neuen Formen des Kirche-Seins entdecken wir und bringen wir ins Leben? Wie gestalten wir die Zukunft unserer Gemeinden – gerade auch in den Prozessen der Zukunftsräume? Das wird spannend – und darauf freue ich mich.
(Das Interview führte Cornelia Hanne, Referentin für Interne Kommunikation.)